ElektroSpicker #035
Netzanschlussbedingungen für dezentrale Energieerzeugungsanlagen
Was muss ich beachten, um einen mit der VDE AR-N 4105:2018-11 konformen Netz- und Anlagenschutz zu erhalten?
2020 machte die Stromerzeugung durch Photovoltaik rund 10,4 % der Nettostromerzeugung in Deutschland aus. Diese Einspeiseleistung erfordert zuverlässige Lösungen an der Schnittstelle einer elektrischen Anlage und Verteilungsnetzt, um die Versorgungssicherheit und die Netzstabilität zu gewährleisten. Der europäisch einheitlich Network-Code „Requirement for Generators“ (RfG) beschreibt die Netzanschlussbedingungen in Spannungsebenen. Aus dem RfG entstand die VDE-AR-N 41xx-Richtlinie, die 2018 in Kraft gesetzt wurde.
Worauf muss man beim Netzanschluss nach VDE AR-N 4105 und 4110 achten?
Kern der aktuellen Anwendungsregel ist es, dass die Einspeisung von dezentral erzeugtem Regenerativstrom für eine frequenz- und spannungsstabile Netzqualität kontrolliert erfolgen muss und dass resultierend Photovoltaik-Anlagen, die längst systemrelevante Strommengen erzeugen, nun entsprechend zuverlässig auf Netzprobleme reagieren können.
Die VDE-AR-N 4105:2018-11 und VDE-AR-N 4110:2018-11 beschreiben die Vorgaben für den Netzanschluss einer dezentralen Energieerzeugungsanlage, welche in Deutschland an das öffentliche Netz angeschlossen werden soll.
❯❯ VOLLSTÄNDIGE BEZEICHNUNG. VDE-AR-N 4105:2018-11 „Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz – Technische Mindestanforderungen für Anschluss und Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz“ und VDE-AR-N 4110:2018:11 „Erzeugungsanlagen am Mittelspannungsnetz – Technische Mindestanforderungen für Anschluss und Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen am Mittelspannungsnetz“
Festgelegt ist bei diesen Anwendungsregeln unter anderem eine frequenzabhängige Wirkleistungssteuerung, um die System- und Netzstabilität bei Über- und Unterfrequenz zu gewährleisten, ebenso wie die Wiederzuschaltbedingungen. Ergänzend zu diesen Vorgaben enthält die VDE-AR-N 4105:2018-11 für alle Neuanlagen zudem Anforderungen an eine Inselnetzerkennung, eine Abrechnungsmessung, an den Nachweis der elektrischen Eigenschaften sowie an den Kuppelschalter bzw. an die Schutzeinrichtungen für den Kuppelschalter.
So muss ein Ausfall der Hilfsspannung am zentralen Netz- und Anlagenschutz (NA-Schutz) zum sofortigen Auslösen (innerhalb von 200 ms) des Kuppelschalters führen. Die Schutzfunktionen müssen auch bei einem Fehler der Anlagensteuerung erhalten bleiben und die Einfehlersicherheit gewährleistet sein. Das bedeutet, dass der NA-Schutz redundant ausgeführt sein muss.
Der Netz- und Anlagenschutz
Die Anwendungsregel VDE-AR-N 4105:2018-11 brachte viele Betreiber von Stromerzeugungsanlagen wie PV-Anlagen in Zugzwang. Die Regel, die für alle dezentralen Energie- erzeugungsanlagen am Nieder- und Mittelspannungsnetz gilt, schreibt eine frequenzabhängige Wirkleistungssteuerung vor, um vor allem die Systemstabilität im Fall von Über- und Unterfrequenz sicherzustellen. Ziel ist ein sicherer Netz- und Systembetrieb mit hoher Versorgungsqualität und Anlagenverfügbarkeit.
❯❯ GUT ZU WISSEN. Käme es zu einem Black out, wäre man komplett von den zentralen Energieerzeugern abhängig. Damit wäre man auch nicht mehr autark in Sachen Energieversorgung.
Um sicherzustellen, dass die Forderungen der VDE-AR-N 4105:2018-11 durch den NA-Schutz eingehalten werden, bieten sich spezielle Netzüberwachungsrelais in Kombination mit einem Kuppelschalter, wie z.B. ein Schütz und Leistungsschalter, an. Hierbei sollte für den Einsatz bei den dezentralen Energieerzeugungsanlagen darauf geachtet werden, dass das Relais Über- und Unterspannung sowie Veränderungen der Netzfrequenz erkennt. Sobald sich die Messwerte außerhalb der eingestellten Schwellenwerte befinden, muss der Kuppelschalter ausgelöst und die Anlage vom öffentlichen Netz getrennt werden.
❯❯ GUT ZU WISSEN. Schwellenwerte gibt es für Netzinstabilität, Fehler und Netzwartungen.
Die detaillierten Produktanforderungen sind hierbei:
- Der NA Schutz muss zweikanalig und einfehlersicher sein
- Zweistufiger Passwortschutz (1. Netzbetreiber, 2. Anlagenbetreiber)
- Zusätzliche Schwelle für den Spannungsrückgangsschutz << U
- Änderungen der Einstellwerte und Auslöseverzögerungen
❯❯ IN EIGENER SACHE. ABB hat genau für diese speziellen Anforderungen das 🔎 Netzeinspeise-Überwachungsrelais CM-UFD.M31 entwickelt.
Überwachungsfunktionen
Folgende Funktionalitäten müssen vom Überwachungssystem sichergestellt werden:
- Messung der Netzspannung
- Messung der Netzfrequenz
- Echte Effektivwert-Messung
- Erfassung des 10-Minuten-Mittelwerts (Über-/Unterspannung)
- Vektorsprungerkennung (konfigurierbar)
- Erfassung der ROCOF (dF/dt)
- Erfassung von Unterbrechungen des N-Leiters
- Testfunktion
❯❯ GUT ZU WISSEN. Die Abkürzung ROCOF bedeutet Rate of Change of frequency bzw. in Deutsch: Gradient des Frequenzabfalls,
Der Kuppelschalter
Der zentrale Kuppelschalter besteht laut der Anwendungsregel VDE AR-N 4105:2018-11 aus einem Schaltorgan.
Die neue Richtlinie schreibt vor, dass bei einem festgestellten Defekt des Kuppelschalters die Erzeugungsanlage nicht mehr einspeisen und nicht wieder einschalten darf. Die Erkennung eines Inselnetzes und die Abschaltung der Erzeugungsanlage über den Kuppelschalter müssen innerhalb von 2 Sekunden erfolgen. Bei einem Spannungseinbruch von <0,85*UN muss der Kuppelschalter in der Lage sein, diesen für 3 Sekunden überbrücken zu können. Die erforderliche Gesamtabschaltzeit (NA-Schutz + Kuppelschalter) beträgt 200 ms. Die Schutzfunktionen müssen auch bei einem Fehler der Anlagensteuerung erhalten bleiben.
Fragen und Antworten
01Ab welcher Anlagengröße der dezentralen Energieerzeugunsanlage muss man einen Netz- und Anlagenschutz extern einsetzen?
Dies richtet sich nach der Einspeiseleistung. Anlagen kleiner 30kVA können mit einem sog. integrierten NA-Schutz (Wechselrichter) gesteuert und überwacht werden. Anlagen größer gleich 30 kVA benötigen zur Einspeisung einen sogenannten zentralen NA-Schutz am zentralen Zählerplatz (bestehend aus Netz- und Anlagenschutzrelais und Kuppelschalter).
02Was versteht man unter einem Netz- und Anlagenschutz?
Nach der VDE AR-N 4105:2018-11 besteht ein Netz- und Anlagenschutz aus einem Spannungs- und Frequenzüberwachungsrelais (Netzeinspeise-Überwachungsrelais) und einem Schaltorgan (Kuppelschalter).
03Wieso ist die europäische Richtlinie so wichtig?
Die Richtlinie garantiert Stabilität und zwar nicht nur für das deutsche, sondern für das komplette europäische Verbundnetz. Es geht darum Black-outs zu vermeiden und das Risiko eines solchen so gut es geht zu minimieren.