ElektroSpicker #002
DIN VDE 0100-420:2019-10: Normkonforme Risikobewertung und Einsatz eines AFDD
Welche Änderungen hat die Neuerung der DIN VDE 0100-420:2019-10 mit sich gebracht? Vor was genau schützt ein AFDD?
Und wann sollte dieser eigentlich eingesetzt werden?
Der Einsatz von AFDDs führt seit der Aufnahme in die DIN VDE 0100-420 zu Unsicherheit in der Umsetzung der Norm. Im Oktober 2019 wurde diese erneut überarbeitet: Der Aspekt, wie Personen, Sachgüter und Nutztiere vor thermischen Auswirkungen, also Hitze, geschützt werden können, wurde aufgenommen.
Einen großen Anteil haben bei Entstehung von Bränden sog. Fehlerlichtbögen, die durch beschädigte Isolation oder lose Kontaktstellen entstehen. Diese können mit einem AFDD erfasst und abgeschaltet werden.
Wofür steht „AFDD“?
Die Abkürzung AFDD steht für Arc Fault Detection Device und bedeutet übersetzt Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtung. Umgangssprachlich wird auch der Begriff „Brandschutzschalter“ verwendet.
Was macht ein AFDD?
Der AFDD schützt vor den Auswirkungen von Lichtbögen. Dafür analysiert ein Microcontroller kontinuierlich den Strom- und Spannungsverlauf sowie das Frequenzbild und stellt fest, ob ein gefährlicher Lichtbogen auftritt.
Diese Lichtbögen können grundsätzlich an drei Stellen im Endstromkreis auftreten:
01 Lichtbogen in Serie zur Last (Serieller Fehlerlichtbogen)
Der Lichtbogenstrom wird dabei durch die Last begrenzt. Serielle Fehlerlichtbögen erwärmen die Fehlerstelle bis diese sich selbst entzündet.
02 Lichtbogen parallel zur Last (Paralleler Fehlerlichtbogen)
Hier kommt es zu einem typischen Überschlag zwischen zwei Außenleitern. Der Lichtbogenstrom wird nur von den Impedanzen der Leiter
begrenzt.
03 Lichtbogen gegen Erde (Erdschluss, wird auch vom FI erkannt)
Je nach Auslegung der Erdung und des Potentialausgleiches können hierbei sehr hohe oder sehr niedrige Lichtbogenströme auftreten.
In der Anwendung
Ob ein AFDD eingsetzt werden muss, hängt von mehreren Faktoren ab. In der DIN VDE 0100-420:2019-10 wird dies über eine 🔎 Risikobewertung der einzelnen Endstromkreise ermittelt. Betroffen sind alle Endstromkreise in folgenden Anwendungsbereichen (DIN VDE 0100-420:2019-10, Abs. 421.7):
- Räume mit Schlafgelegenheiten (Kindertagesstätten, Heime, Schlafzimmer, etc.)
- Räume oder Orte mit Gefährdungen für unersetzbare Güter (Museen, Gebäudedenkmäler, Bibliotheken, etc.)
- Räume oder Orte mit besonderem Brandrisiko
- Feuergefährdete Betriebsstätten (z.B. nach VdS 2033)
- Räume oder Orte aus Bauteilen mit brennbaren Baustoffen, wenn diese einen geringeren Feuerwiderstand als feuerhemmend aufweisen
(z.B. Fachwerkhäuser, Holzständerbauweise ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen)
Mehr Infos zum Einsatz von AFDDs nach DIN VDE 0100-420 findest Du im zugehörigen 🎬 TechnikTalk.
Auf einen Blick. Änderungen der DIN VDE 0100-420:2019-10
01
Die Beschränkung auf einphasige Endstromkreise bis 16 A AC Bemessungsstrom ist entfallen. Somit müssen alle Endstromkreise in entsprechenden Räumlichkeiten bei der Risikobewertung betrachtet werden.
02
Es müssen alle Räume mit Schlafmöglichkeiten berücksichtigt werden, nicht nur in bestimmten Anwendungen (z.B. Erweiterung auch auf Schlafzimmer in Wohnungen/ Einfamilienhäusern).
03
Anstatt einer pauschalen Einbaupflicht in bestimmten Anwendungsbereichen wird der Einsatz eines AFDDs allgemein empfohlen.
ABER: Wird kein AFDD eingesetzt ist zwingend eine ausführliche Risikoanalyse durchzuführen, die dem Betreiber ausgehändigt werden muss.
Eine ausführliche Checkliste für die Risikoanalyse findest Du 🔎 hier.
04
Zur Risikominimierung kann auf
- anlagentechnische (AFDD),
- bauliche oder
- organisatorische
Maßnahmen zurückgegriffen werden.
Was passiert, wenn ich die Norm nicht befolge?
Normen sind nicht verpflichtend, da sie keine Rechenschaft besitzen. Durch §49 EnWG wird jedoch durch die sog. Vermutungsbewirkung festgehalten, dass Normen den anerkannten Stand der Technik beschreiben.
Bei einem Rechtsstreit wird daher auf die Errichtungsnormen der DIN VDE 0100 Reihe zurückgegriffen, um festzustellen, ob Unfälle ggf. vermeidbar gewesen wären. Auf der sicheren Seite ist, wer Installationen nach Norm errichtet.
Risikobewertung
Für die in der Norm angeführten Einsatzgebiete, ist bereits in der Planungsphase eine Risiko- und Sicherheitsbewertung vorzunehmen und das Ergebnis zu dokumentieren. Dabei sind Aspekte, wie schlechte Evakuierbarkeit, Begünstigung der Brandentstehung und der Weiterleitung von Bränden durch gelagerte Stoffe oder verwendete Baumaterialien, sowie Gefährdungen von unersetzbaren Kulturgütern, besonders zu betrachten. Abhängig von diesem Ergebnis sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Diese können anlagentechnischer, baulicher oder organisatorischer Art sein.
Der Einsatz von AFDDs in Endstromkreisen ist eine derartige geeignete Maßnahme zum Schutz gegen die Auswirkungen von Fehlerlichtbögen. Wir empfehlen eine Risikoanalyse nach dem Prinzip des ZVEH.
Eine ausführliche Hilfe zur Risikobewertung findest Du 🔎 hier.
Fragen und Antworten
01Muss ein AFDD geprüft werden?
Nach der Produktnorm DIN EN 62606 müssen AFDDs einen kontinuierlichen Selbsttest durchführen oder eine Testtaste besitzen. AFDDs von ABB besitzen beides. Prüfintervalle wie bei einem FI gibt es daher nicht.
Achtung: Der DS-ARC1 besitzt einen
integrierten FI. Dort sind die Prüfintervalle für die FI-Einheit einzuhalten.
02Kann ein AFDD auch als Gruppen-AFDD eingesetzt werden?
Nein. Die DIN VDE 0100-420 fordert gemeinsam mit der DIN VDE 0100-530 explizit AFDDs in Endstromkreisen. Werden AFDDs entgegen der Herstellerangaben als Gruppenschutzgerät verwendet, können die Anforderungen, die an einen AFDD nach DIN EN 62606
(VDE 0665-10) gestellt werden, nicht garantiert werden. Das bedeutet, das nach einem AFDD kein weiteres Schutzorgan geschaltet werden darf.
03Durch was können Fehler entstehen?
- Lose Klemmen
- Nagetierverbiss
- Kabelbruch bei abgeknickten Kabeln
- Alterung der Isolation
- Isolationsverletzung, z.B. durch einen Nagel oder einen Bohrer.
- Zu enge Biegeradien